Wir sind endlich raus aus der Hotelquarantäne und haben Neujahr auf Sri Lanka gefeiert.
Freiheit: Das dachten wir uns an dem Morgen, als wir das Quarantäne-Resort verlassen durften.
Der Abschied von den Angestellten und von dem Besitzer des Resorts war jedoch gar nicht so leicht, da wir uns in den letzten zwei Wochen kennen und schätzen gelernt hatten. Die Verabschiedung sollte aber nicht für immer sein, da wir von dem Besitzer des Hotels eingeladen wurden mit ihm und seiner Familie Neujahr zu feiern. In Sri Lanka ist das größte Fest des Jahres das Neujahrsfest. So wird das hier zumindest genannt. Es wird allerdings nicht der Beginn eines neuen Kalenderjahres gefeiert, sondern der Beginn eines neuen Sonnenjahres, das gleichzeitig das Ende der Erntesaison kennzeichnet. Das Neujahrsfest findet jedes Jahr am 13. oder 14. April statt, der genaue Zeitpunkt wird dabei von der Astrologie bestimmt. Die Feierlichkeiten umfassen auch die Tage vor und nach dem Neujahr, wobei jeder Tag seine eigenen traditionellen Abläufe hat. Man kann das Ganze von der Bedeutung her mit unseren Weihnachtsfeiertagen vergleichen.
Nach der Verabschiedung aus dem Hotel ging es für uns mit dem Auto erstmal wieder Richtung Colombo, der Hauptstadt des Landes. Hier mussten wir unbedingt den letzten Zug erwischen, der uns dann zu unserem Ziel bringen sollte. Die Zeit war sehr knapp, jedoch hatten wir einen alten Bekannten am Steuer. Denn unser Schumi vom ersten Tag war auch diesmal unser Fahrer. Er wusste, dass wir es eilig haben, und hat das Gaspedal wieder voll durchgetreten. Dies war natürlich gut für unseren Zeitplan, sorgte aber für den Zuwachs von so einigen weißen Haaren bei Wladi.
Wie schon im ersten Beitrag erwähnt, ist der Verkehr in Sri Lanka für einen Europäer alles andere als entspannt. Wer davon eine Vorstellung haben möchte, wie es vor allem in den Städten zugeht, kann sich ja mal ein paar Videos bei YouTube anschauen.
Doch auch diesmal hat Schumi ganze Arbeit geleistet und uns sicher und rechtzeitig zum Bahnhof in Colombo gebracht. Aus dem Auto ausgestiegen, kam das erst Gefühl der Freiheit und das Gefühl, dass unsere Reise jetzt so richtig anfängt.
Bahnfahrt von Colombo nach Boosa
Wir gingen sofort zum Ticketschalter und gönnten uns eine Zugfahrt in der zweiten Klasse. Das bedeutet, dass wir anstatt 140 Rupie (ca. 0,60 €) für die dritte Klasse, ganze 240 Rupie (ca. 1,10 €) pro Person zahlen mussten. Und das für eine fast 4-stündige Fahrt. Der Unterschied ist von der Ausstattung zwar nicht sehr groß, jedoch von der Anzahl der Passagiere. In der 3. Klasse sind gut und gerne doppelt so viele Leute unterwegs und gerade in Zeiten von Corona gibt es dann doch bessere Sachen, als sich für 3-4 Stunden in einen überfüllten Zug zu quetschen.
Die Fahrt mit dem Zug von Colombo nach Boosa dauerte über 3 ½ Stunden. Leider haben wir beide keinen Platz am Fenster ergattert, denn das was Lena unterwegs von der Strecke sehen konnte, war wirklich sehr schön. Die Bahnstrecke führt komplett an der Westküste entlang und an vielen Stellen hat man einen Ausblick auf das Meer.
Am Bahnhof wurden wir von einem älteren Tuk Tuk Fahrer abgeholt und zu unserer Unterkunft gefahren. Auf dem Weg zur Unterkunft hielt der Fahrer kurz bei seiner Tuk Tuk Gang an, die an einer Kreuzung auf Kundschaft wartete, und schrie etwas was für uns so klang wie „Schaut mal, endlich mal wieder ein paar Almans an Board“. Die Freude bei den anderen schien groß zu sein. Den Grund dafür sollten wir ein paar Minuten später in unserer Unterkunft erfahren.
Bara Beach Home
In unserer Unterkunft für die kommenden fünf Nächte angekommen, wurden wir von Bara dem Eigentümer empfangen und erstmal mit einer paar Stücken Wassermelone versorgt.
Wladi‘s erste Frage war, ob sie ein kaltes Bierchen hätten oder am besten gleich ein paar mehr, denn seine Laune war nicht die beste. Zum einen hatte er sich, wie sich in den kommenden Tagen rausstellen sollte, eine ordentliche Ohrenentzündung zugezogen, zum anderen war die Anreise von unserem Quarantänehotel nach Boosa insgesamt sehr lang und anstrengend. Der Besitzer schickte direkt jemanden los, um ein paar Bier und Wasser zu holen.
Auf die Getränke wartend, sahen wir uns ein wenig auf dem Gelände um und stellten direkt erstmal fest, dass es nicht ganz so aussah, wie auf den Fotos im Internet. Als ob Bara unsere Gedanken gelesen hätte, kam er zu uns und erzählte uns, dass wir die ersten Gäste seit über 14 Monaten seien. Sie hatten das Hotel gerade vor ein paar Tagen erst wieder bei Booking online gestellt und waren nicht wirklich darauf gefasst, vor Juni Gäste zu empfangen. Dadurch waren viele Sachen noch nicht wieder hergerichtet und es ähnelte alles noch mehr einer Unterkunft im Aufbau als dem Paradies von den Fotos. Zu den Auswirkungen von Corona auf den Tourismus in Sri Lanka werden wir nochmal einen extra Beitrag schreiben, denn das war nicht der einzige Ort an dem wir die ersten Gäste seit langem waren.
Er bot uns auf Grund der Umstände an, dass wir nur die Hälfte zahlen sollten und ihn gerne über notwendige Verbesserungen in Kenntnis setzen könnten. Den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag hatten wir, jedoch wäre die beste Verbesserung für dieses Hotel wahrscheinlich ein paar mehr Touristen gewesen. Unsere Unterkunft konnte man quasi mit einer Beach Bar vergleichen, die zudem auch noch ein paar Schlafmöglichkeiten hatte. Und wie in allen Bars ist die Stimmung und die Umgebung immer besser, wenn ein paar mehr Leute da sind.
Doch wir waren ganz allein da, was dazu führte, dass nach relativ kurzer Zeit die Langeweile aufkam. Man konnte sich auch leider nicht, wie es bestimmt vor Corona war, mal einen Drink holen oder bei einer der vielen angebotenen Aktivitäten mitmachen. Die Schilder mit den Angeboten so wie auch die Einrichtung der Bar waren zwar da, jedoch waren sie nur Anzeichen dafür, wie es hier vor Corona aussah. Leider konnte man auch in der Umgebung kaum etwas machen, da die meisten Aktivitäten und Touren aufgrund von Corona geschlossen hatten. Also blieb uns nicht viel mehr übrig, als zu chillen und aufs Meer zu schauen. Das klingt bestimmt erstmal alles ganz super, man muss jedoch sagen, wenn man fünf Tage ohne Unterbrechung das Meer und die Wellen in einer Lautstärke hört, gegen die zum Teil nicht mal unsere Box ankam, kann es doch auch mal ein bisschen nervig werden (jammern auf hohem Niveau, wissen wir selber :D).
Es gab den einen oder anderen Augenblick, wo wir darüber nachgedacht haben, vorzeitig weiterzufahren. Jedoch gab es einen älteren Angestellten im Hotel “Beach Bar“, der alles in seiner Macht Stehende versucht hat, um uns den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen. Er war es auch, der uns zum traditionellen Neujahrsfrühstück am 14. April eingeladen hat und es hätte uns das Herz gebrochen, ihm zu sagen, dass wir früher abreisen möchten.
Krankenhausbesuch in Galle
Mit der Zeit wurde auch Wladis Stimmung besser, nachdem ein Arzt sein Ohr behandelt hatte und er mit Antibiotika versorgt wurde. Der Arzt befand sich in einem Krankenhaus im nächstgrößeren Ort Galle. Netterweise hatte der Besitzer unseres Quarantänehotels hier einen Termin für Mr. Wladi ausgemacht. Wir hatten kurzfristig schon Angst vor den Kosten der Behandlung, da die Auslandskrankenversicherung einen Mr. Wladi auf dem Beleg wahrscheinlich nicht akzeptieren würde. Es stellte sich dann allerdings heraus, dass die Behandlung im Privatkrankenhaus inklusive der Medikamente nur 19 € kosten sollte, sodass wir der Auslandskrankenversicherung den bürokratischen Aufwand erspart haben.
Nachdem Krankenhausbesuch sahen wir uns noch die Altstadt von Galle an, die in einem alten Fort aus der Kolonialzeit liegt. Aufgrund der kolonialen Einflüsse ist die Altstadt sehr europäisch geprägt und im Vergleich zum Rest der Stadt, in dem wir von der Menschenmenge fast erschlagen wurden, war hier sehr wenig los.
In den fünf Tagen, die wir in Boosa waren, sind wir oft spazieren gegangen und haben sehen können, wie die Menschen in dem Ort leben und wie sie trotz aller Tragödien, wie zum Beispiel dem Tsunami von 2004 oder dem Einbruch ihres Einkommens aufgrund von Corona, versuchen das Beste daraus zu machen. Es war für uns sehr krass zu sehen, unter was für ärmlichen Bedingungen die Menschen in dem Ort teilweise leben. Wir haben viele Menschen gesehen, die sich oder ihre Wäsche im Meer beziehungsweise im Fluss gewaschen haben. Das war für uns ein sehr ungewohnter Anblick und hat uns auf jeden Fall zum Nachdenken bewegt.
Familienfeier auf Sri Lanka
Am 15. April war es dann so weit und es ging wieder weiter für uns.
An diesem Tag sollten wir mit Sudath, dem Besitzer unseres Quarantänehotels, und seiner Familie das Neujahrsfest feiern.
Aufgrund von einem Missverständnis in der Kommunikation zwischen Sudath und Lena, kam es dazu, dass wir für diesen Tag ein Hotelzimmer in Galle gebucht hatten. Wir hatten es so verstanden, dass die Familie von Sudath in Galle lebt und deren Hotel ausgebucht ist, sodass es keine Schlafmöglichkeit für uns geben würde. Wir wurden mittags von Sudaths Neffen in Galle abgeholt und stellten schnell fest, dass die Familie nicht in Galle, sondern ca. 25 Kilometer weiter östlich lebt. Dort angekommen, wurde uns als erstes die Frage gestellt, wo denn unsere Sachen seien. Daraufhin stellte sich heraus, dass die Familie extra ein Zimmer in einem leerstehenden Haus der Familie für uns hergerichtet hatte und wir die Nacht bei der Familie verbringen sollten. Also fuhr uns der Neffe den kompletten weg wieder zurück, wir sammelten unsere Sachen ein, bezahlten das Hotelzimmer und fuhren zurück zu der Familie. Zu der Feier kamen nicht nur Sudath und seine Töchter, sondern insgesamt ungefähr 25 Mitglieder der Familie und enge Freunde (endlich mal keine Kontaktbeschränkungen ).
An diesem Abend haben wir gemerkt, warum wir diese Reise machen. Und zwar um genau solche Momente zu erleben. Die Gastfreundschaft war riesig und wir wurden vom ersten Moment an behandelt, als ob wir zur Familie gehören würden. Wir haben im Laufe des Abends viel erlebt und auch viel von dem Leben der Familie mitbekommen. Allein über Sudath und sein Leben könnte man ein Buch schreiben und es wird auch eventuell ein eigener Blogeintrag über ihn kommen. Sudath ist nämlich nicht nur jemand, der sich sein Leben komplett allein aufgebaut hat, sondern er und seine Familie geben viel an die Gemeinde und insbesondere an die ganz Armen und die eigenen Kinder weiter. So arbeitet zum Beispiel seine Schwester hauptberuflich in einer Bank und vermietet nebenbei vier kleinere Bungalows im Hinterhof. Ihr ganzes Gehalt von ihrem Job bei der Bank spendet sie jeden Monat an eine Organisation, die sich um arme Kinder mit Behinderungen kümmern.
Wir feierten den ganzen Abend und tranken mit Sudath und den anderen Männern Arrak (den sri lankischen Nationalschnaps). Für Lena war es etwas gewöhnungsbedürftig, da sie als einzige Frau bei den Männern saß und auch wusste, dass Frauen in Sri Lanka eigentlich keinen Alkohol trinken. Die Männer versuchten sie immer wieder zum Trinken zu überreden, aber da sie nicht wusste, wie die anderen anwesenden Frauen darüber denken, lehnte sie die meiste Zeit lieber ab.
Zu der Familie gehörten auch eine ganze Menge Kinder, die irgendwann die Musik sehr laut aufdrehten und uns zum Tanzen aufforderten. Die Kinder waren insgesamt sehr interessiert an uns. Einige von den älteren sprachen Englisch und wir konnten uns ein bisschen unterhalten. Die jüngeren lächelten uns die meiste Zeit nur freundlich an oder trauten sich irgendwann nach einem Selfie zu fragen. Die jüngste Tochter von Sudath traute sich nach und nach immer dichter an uns heran und war am Ende des Abends Lenas beste Freundin, obwohl die beiden sich so gut wie nicht unterhalten konnten.
Nach dem Tanzen wurden wir irgendwann zum Essen gebeten. Wir wunderten uns etwas darüber, dass nur wir beide zusammen mit Sudath in einen Raum geführt wurden und fragten, ob die anderen nichts essen wollen. Uns wurde gesagt, dass die Kinder bereits gegessen hätten und die Frauen anschließend essen würden. Wir dachten zunächst, dass das Ganze mit Sudath zusammenhängt, da er in seiner Familie der einzige Sohn ist. Später haben wir aber nochmal im Internet recherchiert und gelesen, dass Gäste in Sri Lanka sehr zuvorkommend behandelt werden und die Gastgeber in der Regel nach den Gästen essen. Das war für uns sehr ungewohnt, wir fühlen uns aber natürlich sehr geehrt von der Geste.
In der Nacht wurden wir dann zu dem für uns hergerichteten Haus gefahren. Einer der Onkel schlief extra bei uns im Haus, für den Fall, dass wir etwas brauchen sollten.
Am nächsten Morgen stand dann nach einem typischen Frühstück die Verabschiedung an. Wir werden diese Familie nicht so schnell vergessen, denn sie hat uns mit offenen Armen in ihr Haus und in ihr Leben eingeladen. Wir möchten Sudath auf jeden Fall nochmal besuchen, solange wir auf Sri Lanka sind und planen am Ende unserer Reise nochmal in seinem Hotel vorbeizuschauen.